eSports und Gaming - der Wilde Westen der Werbewelt

5 Mio. Zuschauer weltweit, über 20.000 vor Ort in einem großen Stadion, Preisgelder in Millionenhöhe, Sportler, die wie Rockstars gefeiert werden - das klingt nach einem Fußballturnier wie einer FIFA Europameisterschaft. Zumindest die Zahlen sind ähnlich. In Wirklichkeit handelt es sich um eine etwas andere Sportart - eSports.

Auf der vergangenen ESL ONE, einem DOTA 2 Turnier (DOTA 2 ist ein Multiplayer PC-Spiel), wurden diese Zahlen erreicht. In der Hamburger Barclaycard Arena trafen acht professionelle Teams aufeinander und kämpften mit Maus und Tastatur vor zehntausenden Fans um die Preisgelder. Das Event, ausgetragen von der ESL (Electronic Sports League), konnte Mercedes als Hauptsponsor gewinnen. Wie Caroline Pilz, Verantwortliche für Product Placement bei Mercedes verkünden ließ, sei dies der „logische nächste Schritt“, um Mercedes werbend in die Industrie zu involvieren.

Mercedes ist dabei nur eines von einigen Unternehmen, die ein Involvement im eSports angehen. Coca Cola, Audi und RedBull hatten schon vorher ihre Fühler ausgestreckt. Tech-Unternehmen wie Intel, Microsoft oder Nvidia und Finanzdienstleister wie PayPal haben schon längst ihre Finger im Spiel, denn das Involvement macht durchaus Sinn: Tech-Unternehmen beliefern Gamer mit Hard- und Software, Getränkehersteller mit der nötigen Erfrischung beim Gamen und Finanzdienstleister bieten schnelle Zahlungswege für Ingame-Transaktionen oder Download-Käufe von Spielen. Sie sind sozusagen Zulieferer für Gamer. Mercedes allerdings begibt sich auf neues Terrain. Zwar sponsert der Automobil-Gigant schon seit langem Teams und Events verschiedener Sportarten, doch sind diese etabliert und Teil der Gesellschaft - wie zum Beispiel Fußball.

Wie verbindet der Konzern also die Marke Mercedes und das Daddeln? Es ist leicht zu erklären: Gamer wurden in der Vergangenheit belächelt, ihre Passion nicht ernstgenommen. Marken, die ihnen Vertrauen schenken sind Freunde der Community und werden als solche wahrgenommen. Gamer sind eine sehr dankbare Zielgruppe, allerdings nur dann, wenn man ihre Sprache spricht. Fehlende Authentizität führt unumgänglich dazu, dass ein Werbetreibender lächerlich gemacht wird. Gamer wissen, wie das Internet funktioniert und wie das Internet, vergessen diese nicht.

Werbetreibende müssen sich mit Gaming auseinandersetzen und identifizieren, verpartnern und unterstützen. Ein längeres Involvement sollte daher impulsiven Cash-Grab Aktionen vorgezogen werden, denn die Gaming Community besitzt außergewöhnliche „Sellout“-Sensoren. Dies ist auf die besondere Haltung von eSports Konsumenten gegenüber Werbemedien zurückzuführen.

Es handelt sich hierbei um eine Zielgruppe von hauptsächlich Männern im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, die einen großen Teil ihrer Freizeit mit Gaming verbringen. Sie sind Digital Natives und mit Videospielen aufgewachsen. Ihre Affinität zu Internetanwendungen ist vergleichsweise hoch. Diese Zielgruppe ist für viele Marken kaum erreichbar, da sie klassische Medien wenig nutzen und ein leistungsstarker Ad-Blocker im Internet den Rest übernimmt. Ein Hauptmerkmal dieser Mediennutzung ist die Selbstbestimmtheit und Interaktivität des Internets:

Content wird selbst ausgesucht und Werbung wird ausgeblendet sofern sie dem Konsument der Onlinemedien ohne Kontext vorgehalten wird. Simple Anzeigen ohne Auseinandersetzung mit dem Konsument wird ignoriert - ein Trend der sich durch viele Zielgruppen zieht. In der Gaming Community dürfte das Verlangen nach persönlicher Ansprache im Vergleich zum Mainstream allerdings viel höher sein. Und die Community wächst. Laut einer Studie des Bundesverbands für Interaktive Unterhaltungssoftware, konsumierten im Jahr 2016 rund 323 Mio. Fans mindestens gelegentlich eSports Events. 3 Millionen eSports-Enthusiasten (monatlich mindestens ein eSports Event konsumiert) von ihnen seien aus Deutschland, so das Ergebnis einer Studie Newzoos.

Bis zum Jahr 2020 soll sich die Gesamtanzahl der Zuschauer nahezu verdoppeln. Regelrecht erschreckend sind auch die Prognosen zum globalen Umsatz der eSports Szene: Wachstumsraten von über 50% wurden 2016 im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Bis zum Jahr 2020 soll der Umsatz des Markts bei rund 1,5 Mrd. $ liegen. Das bisher größte eSports Event der Geschichte 2017 in Katowice, Polen, das Intel Extreme Masters World Championship zog 173.000 Zuschauer in das Stadion und auf das umliegende Festival, hatte 46 Mio. Unique Viewers und generierte so über 55 Mio. Social Media Fans rund 255 Mio. Impressionen auf den Kanälen.

Diese Zahlen sprechen für sich, doch wie kann eine Marke sich präsentieren und dauerhaft sichtbar sein für Gamer?

ESports ist der Wilde Westen der Werbewelt. „A New Frontier", würde der US-Amerikaner sagen. Ein weitestgehend unerforschtes Land, das viele abschreckt und einige Pioniere anlockt, die das große Glück suchen. Als moderne Goldgräber sollten sich Marken allerdings auf die Ratschläge der Indianer stützen. Der Einstieg ins Sponsoring und die korrekte Platzierung von Ads will wohl durchdacht sein, denn mittlerweile stehen die Investoren Schlange und Veranstalter von Events können sich regelrecht aussuchen, wer mitmacht. Das lassen sie sich gut bezahlen.

Doch auch kleinere Werbebudgets finden durchaus ihren Einsatz, denn in der Welt des Gaming ist ein weiterer Trend entstanden: das Live-Streaming.

Willkommen auf Twitch.tv, einer Plattform, auf der Gamer anderen Gamern zuschauen, wie sie Videospiele live streamen. Klingt bescheuert? Nicht für diejenigen, die zu Peak-Zeiten mehr Traffic verursachen als zum Beispiel auf Facebook stattfindet. Nein, kein Scherz - die von Amazon im Jahr 2014 für 970 Mio $ erworbene Plattform bricht einen Rekord nach dem anderen. Und so ziemlich alles, was in der Welt der Videospiele Rang und Namen hat ist auf Twitch vertreten. Jeder große Publisher, jede Messe, jedes Turnier - die Industrie hat seit einiger Zeit ein Lieblingsmedium. Und wie viele andere Plattformen dieser Art finanziert auch diese sich durch Werbeeinnahmen.

Angenommen, das Fernsehen wäre vor 4 Jahren erfunden worden und ein Großteil der Weltbevölkerung hätte schon Zugriff darauf, wäre es eine gute Idee zu beobachten, wie es sich entwickelt? Nein! Wir gehen noch einen Schritt weiter und finden jeder, der seine Brand bei einer der interaktivsten Zielgruppen der Welt unterbringen möchte, der begebe sich sofort auf den Hypetrain, bevor er auf den Mainstream zusteuert.

Doch was bietet Twitch für Konsumenten und Werbetreibende? Twitch ist in erster Linie eine Plattform für alle. Nur fokussiert sich diese auf Streaming-Dienste - im Gegensatz zu Youtube, das Streaming erst nach dem aggressiven Aufstieg Twitchs ernst nahm. Die Nutzung von Twitch ist kostenlos für den User. Jeder Konsument kann Produzent sein. Das Streaming lässt sich relativ einfach und ohne Vorkenntnisse am eigenen PC einrichten. Daher ist die Content Generierung auch für Neulinge attraktiv. Wirklich interessant wird es bei Twitchs Vergütungsmodellen. User haben die Möglichkeit, ihre liebsten Streamer für geringe Beträge zu abonnieren. Dadurch erhält der Streamer einen Anteil des Betrags als Vergütung und der User bestimmte Vorteile im Rahmen des Kanals seines abonnierten Streamers. Aus der Ferne betrachtet ist dies eine Win-Win Situation für alle Beteiligten. Mittlerweile hat die Plattform eine große Anzahl an professionellen Streamern, deren Followerzahl bis in die Millionenhöhe geht.

Diese Streamer zeichnen sich, ähnlich wie große Youtuber, durch ihre einzigartigen Casting-Skills, professionelles Gameplay oder humorvollen Content aus. Viele dieser Kanäle werden kommerziell geführt, d.h. auch, dass Investoren und Sponsoren, Talent-Agenturen und Game-Publisher mit Streamern zusammenarbeiten. In solchen Fällen kommt es auf die Reichweite und Popularität der Streamer an, welche Budgets und Verträge vereinbart werden. Große Streamer, wie „Summit1G“ gehen dann auch dauerhafte Partnerschaften mit weltweit bekannten Brands ein. Im Falle Summit1Gs hat sich Monster Energy einen Platz hinter der Kamera gesichert. Ein leuchtender Kühlschrank mit sichtbarem Monster Energy Branding ziert den Hintergrund des Streamers, der sich beim Spielen mit einer Kamera aufnimmt. Zudem findet ab und an ein kleines Endorsment statt, indem Summit1G Monster Energy konsumiert oder darüber positiv spricht. Im Prinzip ist er ein Makro-Influencer, dem täglich rund 20.000 bis 30.000 Fans über viele Stunden hinweg zuschauen.

Streams auf Twitch.tv zu schauen ist aktives Entertainment - der Zuschauer ist Prosumer und nimmt am Geschehen teil, anstatt passiv zu konsumieren. Das kann für Werbetreibende von großem Vorteil sein, denn Werbung unterstützt immer den Stream und dadurch haben die Zuschauer eine andere Einstellung gegenüber dieser.

Abschließend ist festzuhalten, dass Streaming von Videospielinhalten und eSports die Medienlandschaft ordentlich aufwühlen. Mit ziemlicher Sicherheit werden in wenigen Jahren große eSports Turniere ihre Übertragungsrechte teuer an Fernsehsender und andere Streamingdienste verkaufen. ESports wird spätestens dann Mainstream und Zweifler erröten lassen. Aber: wir habens Ihnen ja gesagt.